Abminderungsbeiwerte für Hohlprofilverbindungen (P715)

Kurzbeschreibung

Der Einsatz von Hohlprofilen bietet im Metallbau konstruktive und fertigungstechnische Vorteile. Durch die derzeit in der Europäischen Union auf diesem Gebiet laufende Normungsarbeit (Eurocode 3) scheint es sinnvoll, den Einsatz dieser Profile aus hochfesten Stählen (z.B. S 690) in ähnlichem Umfang baurechtlich zu regeln (prEN 1993-1-12 „Erweiterung auf Stahlgüten bis S700)), wie es bereits für andere Querschnittsformen geschieht. Die fehlenden Bemessungsregeln bzw. –normen sind der Hauptgrund für den schlechten bzw. schleppenden Einsatz höherfester Stähle, die fast ausschließlich von westeuropäischen und deutschen Herstellern produziert werden.
Die spezielle Problematik bei der Konstruktion von Fachwerken aus Hohlprofilen besteht insbesondere in der Berechnung und Bemessung der geschweißten Anschlüsse. Das Tragverhalten von Hohlprofilknoten wird durch das Deformationsverhalten und die Lastverteilung im Anschlussbereich charakterisiert. Bei wachsender Belastung ergeben sich Spannungsumlagerungen, die eine rein analytische Erfassung der Tragfähigkeit unmöglich machen.

Um die bestehenden Traglasttabellen entsprechend DIN EN 1993-1-8 (Anschlüsse) auch für Stähle mit Streckgrenzen über 500 N/mm² nutzen zu können, ist vorgesehen, im Entwurf zu prEN1993-1-12 einen Abminderungsbeiwert für die Traglast in Höhe von 0,8 einzuführen. In diesem Entwurf wird allerdings explizit angegeben, dass dieser Beiwert noch experimentell zu belegen ist. Ein entsprechender Abminderungsbeiwert für S460 in Höhe von 0,9 wurde bereits in der DIN EN1993-1-8 festgeschrieben. Auch dieser Beiwert soll im Rahmen der Untersuchungen überprüft und gegebenenfalls abgeändert werden.
Erste vorläufige Analogiebetrachtungen zwischen Hohlprofilknoten aus S460 bzw. S690 und aus S235 bzw. S355 zeigen, dass durch den komplizierten geometrieabhängigen Tragmechanismus keine einfache Anpassung generiert werden kann, die ausschließlich auf dem Streckgrenzeneinfluss basiert. Grundsätzlich haben erste Vortversuche an hochfesten Hohlprofilknoten gezeigt, dass sie höhere Auslastungsgrade erreichen als solche aus S235 und S355.
Im Rahmen der geplanten experimentellen und theoretischen Untersuchungen sollen die Abminderungsbeiwerte überprüft und gegebenenfalls abgemindert oder ganz aufgehoben werden. Unter Umständen wird eine Verknüpfung der Abminderungsbeiwerte mit den geometrischen Parametern der Verbindung erforderlich. Durch die Aufhebung bzw. Reduzierung der Abminderungsbeiwerte wird ein wirtschaftlicher Einsatz von Hohlprofilen aus höherfesten Stählen ermöglicht.
Die Ergebnisse der Untersuchungen werden normgerecht aufgearbeitet und sollen direkt in die entsprechenden Regelungen und Normen einfließen. Dies wird durch die Mitgliedschaft der Antragsteller in den entsprechenden internationalen Gremien sicher gestellt. Um eine praxisorientierte Vorgehensweise zu gewährleisten, wird vorgeschlagen, Vertreter namhafter Stahlbauunternehmen in den projektbegleitenden Arbeitskreis aufzunehmen.